Verflixte halbe Stunde kostet Podiumsrang
Starnberger Blitz-Vierer
verpasst Direktqualifikation für Bayerische
Es gibt Rituale, die für
Schachspieler scheinbar unverzichtbar sind, um sich bei Turnieren wohl zu
fühlen: regelmäßige Toilettengänge, der nahezu synchrone Ansturm zu den gerade
ausgehängten Paarungslisten einer Runde und der klassische Verzehr von einem
Paar Wiener mit Senf in der Mittagszeit. Gerade bei Letzterem lag bei der in
Rohrbach (nahe Ingolstadt) ausgetragenen Oberbayerischen Blitzschach-Mannschaftsmeisterschaft
ein Problem. Es wurde nämlich im etwas abseits gelegenen Kindergarten „Löwenzahn“
gespielt bar jeder Möglichkeit des kommerziellen oder gemeinnützigen
Nahrungsmittelerwerbs. Die Mehrzahl der sieben angereisten 4er-Teams hatte für dieses
Problem nicht vorgesorgt. Einzig Franz Gessl, der erfahrene Captain
des Weilheimer Teams, hatte einen Karton Backwaren mitgebracht und damit sicher
gestellt, dass seine Spieler nicht mit Unterzucker an die Bretter mussten. Das
war aber nicht der Grund dafür, dass das Starnberger Quartett bestehend aus
Gregor Sterzenbach, Thomas Lochte, Clemens von Schmädel und dem Berichterstatter
lediglich als Mitfavorit auf den Titel startete. Mit Weilheim, Gröbenzell und
der ersten von zwei Ingolstädter Teams standen uns erfahrene und sehr gut
besetzte Teams gegenüber, auf der Setzliste tauchten wir an Position drei auf.
Gespielt wurde im Rundensystem mit Hin- und Rückrunde, es zählten Mannschafts-
vor Brettpunkten.
Der Auftakt bescherte
uns die Lokalmatadoren vom TSV Rohrbach, die wir ohne größere Probleme 3:1
bezwangen. Gegen unsere nächsten Gegner SK Ingolstadt II und VfB
Friedrichshofen gelangen uns sogar zwei 4:0-Siege, wir schienen gut drauf zu
sein. Doch der erste Dämpfer kam im Duell mit Ingolstadts Erster. Nach hartem
Kampf mussten wir uns mit einem 2:2 und dem ersten Punktverlust zufrieden
geben. Auch im Nachbarschaftsduell mit Weilheim reichte es nicht zum Sieg – im
Gegenteil: Nachdem ich gegen FM Dieter Pilz in einem vermutlich gewonnenem
Doppelturmendspiel in ein einzügiges Matt gelaufen war, drohte die erste
Niederlage. Doch Clemens konnte durch einen Sieg auf Zeit gerade noch das 2:2
retten. Durchatmen! Mit dem SC Gröbenzell wartete allerdings gleich der nächste
dicke Brocken. Als wir uns an die Bretter setzten, war ich etwas erstaunt, dass
Tommy und Clemens an deutlich breiteren Tischen spielten als Gregor und ich. So
fiel es Tommys Gegner Rupert Stocker sichtlich
schwer, im Sitzen mit der Hand bis zu Tommys Grundreihe vorzustoßen. Leider
machten sich Tommys Größenvorteile in der Partie aber nicht bemerkbar. Wir
verloren die Begegnung nahezu chancenlos mit 1:3.
Damit war Halbzeit!
Zwischenfazit: 8:4 Punkte. Wir lagen zusammen mit Weilheim drei Zähler hinter
Gröbenzell, die nur ein Unentschieden abgegeben hatten. Dazwischen hatte sich
Ingolstadt mit 10:6 Punkten gemogelt. Es war alles sehr eng beisammen, wir
erwarteten ein heißes Finale! Doch wir wurden kalt erwischt…
Vielleicht war es unser
Biorhythmus, der vergeblich auf die Wiener Würstl-Aufnahme
wartete. Auf alle Fälle war das, war wir in den nächsten 30 Minuten schachlich ablieferten, kaum mitanzusehen.
Gegen Rohrbach zitterten wir uns zu einem 2,5:1,5-Erfolg. Ich hatte dabei das
Glück, dass mein Gegner mit Dame mehr mein schon länger gefallenes Blättchen
erst reklamierte als seines auch nicht mehr hing. Gegen den SK Ingolstadt II
lief es für mich besser, ich erreichte einen schnellen Sieg, ging etwas an die
frische Luft und erwartete einen ebenso klaren Sieg wie in der Hinrunde. Doch
als ich in den Turniersaal zurückkehrte, schüttelten Gregor und Tommy nur mit
dem Kopf. Der Kampf war 2:2 ausgegangen und angeblich schmeichelhaft für uns.
Es wurde noch schlimmer: Gegen Friedrichshofen gingen wir mit 1:3 baden. Ich
verschenkte dabei den Ausgleich, als ich in ausgeglichener Stellung (die
allerdings nicht technisch remis war, wie mein Gegner zu Unrecht reklamierte)
meinen König im Schach stehen ließ anstatt einfach ein paar belanglose Züge zu
machen und zu warten, bis sich das hängende Blättchen meines Gegenübers nicht
mehr halten kann.
Damit hatten wir drei
Zähler gegen vermeintliche Punktelieferanten liegen gelassen. Die Quittung nach
Runde 9: vier Punkte Rückstand auf Rang 3! Denn das Spitzentrio Gröbenzell,
Weilheim und Ingolstadt hatte sich kaum Blößen gegeben und uns distanziert. Da
wir gegen alle drei Teams noch antreten mussten, zählten nun nur noch Siege!
Und siehe da, gegen
Ingolstadt spielten wir wie ausgewechselt und ließen beim 3:1-Erfolg nichts
anbrennen. Beflügelt dadurch, dass mittlerweile auch Gröbenzell Federn ließ,
glaubten wir auch gegen Weilheim an unsere Chance. Wir spielten erneut
Kampfschach an allen Brettern und waren einem Sieg sehr nahe. Doch mehr als ein
Remis sprang wieder nicht heraus. Damit war vor der letzten Runde klar, dass
wir im Titelrennen ausgeschieden waren. Ganz im Gegensatz zu unserem
Schlussrundengegner Gröbenzell – sie hätten sich bei einem Sieg gegen uns wegen
der besten Brettpunktezahl den Titel gesichert. Doch wir wollten uns ebenfalls
mit einem Erfolg verabschieden. Leider reichte es nicht ganz! Wir gingen zwar
2:0 in Führung, aber dann fiel zweimal der Balken auf unserer Seite.
Am Ende schlossen wir mit
15:9 Punkten und zwei Zählern Rückstand auf Gröbenzell sowie drei Punkte hinter
den Co-Siegern Weilheim und Ingolstadt auf Platz vier ab. Beide Teams hatten
exakt die gleiche Anzahl an Mannschafts- und Brettpunkten. Da sie sich unisono für
die Bayerische Endrunde am 4. März in Kulmbach qualifizierten, spielten sie kein
Entscheidungsmatch. Der Pokal für den ersten Platz wurde mehr zufällig den
Ingolstädtern überreicht, Weilheim gab sich mit dem Pott für den Vize
zufrieden.
Für uns blieb die
Erkenntnis, dass wir gegen die Spitzenteams insgesamt gute Resultate erzielt
haben, aber gegen die nominell schwächeren Mannschaften zu viele
Konzentrationsschwächen offenbarten. Dabei ist beim Blitzen bekannt, dass
vermeintlich „kleine“ Spieler groß auftrumpfen können. Insofern war der
Kindergarten „Löwenzahn“ als Austragungsort doch irgendwie passend.
Die Starnberger Einzelstatistik:
Brett 1: Gregor
Sterzenbach 7,5 Punkte/12 Partien Brett 2: Matthias
Schäfer 9,5/12 Brett 3: Thomas Lochte
6,0/12 Brett 4: Clemens von
Schmädel 5,5/12 P.S: Obwohl wir die
Direktqualifikation für die Bayerische Endrunde verpassten, haben wir unser
Interesse angemeldet, bei Absagen von startberechtigten Teams als Nachrücker an
dem Turnier teilzunehmen. (Matthias Schäfer)