Presseberichte

Openbericht „Offene

Openbericht Ditzingen und Crailsheim 2004:

 

Ditzingen:

Vom 20.05.-23.05.04 richteten die Schachabteilungen des TSV Zuffenhausen und die des TSF Ditzingen zum 9. Mal die „Internationale Stuttgarter Stadtmeisterschaft“ als 7-rundiges Open aus. Es wurde wieder in 2 Gruppen gespielt, und der Zufall wollte es, dass sowohl im A- als auch im B-Turnier exakt 122 Spieler an den Start gingen. Die Spielbedingungen in der Stadthalle Ditzingen waren auch diesmal wieder vorbildlich und die Organisation bis ins kleinste Detail perfektioniert.

 

Allerdings fiel heuer ein dunkler Schatten auf das Turnier und das kam so: In der 5. Runde lautete die Paarung am Spitzenbrett GM Cizak – IM Haub. Nach 3 ½ Stunden klingelte das Handy des Großmeisters, worauf Haub Protest einlegte und auf den Punkt bestand. Der Schiedsrichter forderte Haub auf, die Partie unter Protest fortzusetzen, was dieser tat. GM Cizak gewann.

 

Der Schiedsrichter wertete die Partie als gewonnen für Cizak, und nachdem das Schiedsgericht mit 2:1 Stimmen für die „sportliche“ Lösung gestimmt hatte, trat Haub (zu Recht) vom Turnier zurück. Einige Runden zuvor hatte eine Teilnehmerin im B-Turnier vergessen, ihr Handy auszuschalten und wurde sofort genullt. Für den Großmeister wurde hingegen eine Extrawurst gebraten. Die Turnierleitung redete sich mit der fadenscheinigen Begründung heraus, das Handy hätte sich „durch eine unglückliche Bewegung eingeschaltet, worauf die Begrüßungsmelodie ertönt sei!“ Das Handy sei „nicht willentlich“ eingeschaltet worden.

 

Wenn man vor dem Turnier bekannt gibt, dass ein eingeschaltetes Handy sofortigen Partieverlust zur Folge hat, dann spielt es überhaupt keine Rolle, ob das Handy eine Melodie von sich gibt oder „normal“ klingelt. In der Bundesliga gab es kürzlich einen Fall, als ein Handy im Rucksack vibrierte und allein dies schon die Nullung auslöste!

 

Ich halte die getroffene Entscheidung für einen Skandal. Zu diesem Thema wird es diverse Leserbriefe in der Schachpresse geben. Überhaupt müssen sich FIDE samt Landesverbänden Gedanken machen, wie mit dem Thema „Handy“ künftig umgegangen wird. So jedenfalls kann es nicht weiter gehen. Wo man hinhört, gibt’s böses Blut wegen dieses „Wunders der Technik“. Man sollte sich ernsthaft überlegen, beispielsweise eine Geldstrafe einzuführen, aber die Nullerei einstellen, denn das Vergehen „Handyklingeln“ hat ja mit dem Schach rein gar nichts zu tun! Unser Club ist ja aktuell auch mit diesem leidigen Thema befasst…

Nun aber Schluss mit der Problemwälzerei und zum Turnier: Ich machte heuer den Hattrick perfekt, also die dritte Teilnahme hintereinander. 2002 spielte ich im B-Turnier, während ich mich im Vorjahr ziemlich erfolglos im A-Turnier versuchte. Da dachte ich, dass ich etwas gut zu machen habe und wiederholte meine Entscheidung aus 2003.

 

Und wie habe ich abgeschnitten? Tja – hmm…ääääh…Wie soll ich sagen…? Also… irgendwann kommt’s ja doch raus: Es war fürchterlich! Noch nie habe ich in meiner mittlerweile 31-jährigen Schachkarriere so schlecht in einem Open abgeschnitten, aber der Reihe nach:

 

1. Runde:

Sehr gute Partie gegen DWZ 2048 bis zum 38. Zug, als ich ein Remisangebot ausschlug und gleichzeitig den Verlustzug ausführte! Man soll eben nicht größenwahnsinnig werden, sondern lieber mal den halben Punkt nehmen.

 

2. Runde:

Gegen einen absoluten Ekelbatzen und Dampfplauderer, den ich schon von anderen Turnieren in meiner schwäbischen Heimat kannte, hatte ich eine glasklare Gewinnstellung mit Qualität mehr herausgespielt. Doch dann kam einmal mehr meine katastrophale Technik zum Vorschein und ich verdarb die Stellung konsequent zum Verlust.

 

3. Runde:

Nach 14 Zügen stand ich gegen einen Philidor total überlegen, setzte dann mehrfach ungenau fort und griff in Zeitnot, als der Gegner inkorrekt opferte, fehl. Also wieder eine Gewinnpartie weggeschmissen. „0 aus 3“ („lange Rochade“) wie im Vorjahr!

 

4.Runde:
Ein neuer Anlauf, immerhin gegen einen Gegner mit 1799 und ebenfalls 0 aus 3. Diesmal ein abgelehntes Wolga-Gambit mit überlegen geführtem Spiel. Als ich ins Endspiel einbog, hatte ich einen Turm mehr (T+S – L). Allerdings musste ich 2 gefährliche verbundene Freibauern stoppen, was schließlich gelang. Von 1000 Stellungen mit Turm mehr sind 999 gewonnen. Meine war es nicht. REMIS MIT TURM MEHR!

 

5. Runde:

Neuer Versuch am nächsten Morgen, frisch und ausgeschlafen gegen „Moderne Verteidigung“. Der Gegner hatte immerhin DWZ 1879, also meine Preisklasse bis zu diesem Zeitpunkt! Dieser ließ absolut nichts zu, obwohl ich wie wild angriff. Meine Versuche perlten an der schwarzen Gummiwand ab. Punkt weg und zwar völlig chancenlos!

 

6. Runde:

Kam sehr gut aus der Eröffnung, wie meistens (Französisch), habe mich dann aber von einem Spieler mit 1716, der sich fortwährend mit Bier vollaufen ließ, vorführen lassen. Dazu noch ein schlechter Verteidigungszug, und schon war ich breit! Ich hab’s dann mit Humor genommen und Selbstgespräche begonnen: „Mensch, Du Idiot, jetzt lässt Du Dich schon von Alkoholikern abservieren!“ Verständlicher Weise hatte ich überhaupt keine Lust mehr, kein Wunder, wenn wirklich GAR NICHTS gelingen will.

 

7. Runde:

Gegen DWZ 1600 28 Züge in einer guten Stunde runtergerissen, schnell remis gemacht und WEG! Ich hatte die Nase gestrichen voll von diesem Turnier! Immerhin einen Vorteil hatte mein Abschneiden: Ich musste kein einziges Mal das Ergebnis melden. Das sparte Energie! Die nackten Zahlen: 120. von 122 und ein historischer DWZ-Verlust von 76 Punkten! Oh Gott, ist mir das peinlich…Wer’s schwarz auf weiß sehen will: http://www.stuttgarter-stadtmeisterschaft.de/

 

Zum Schluss noch etwas für unsere Nostalgiker: Im B-Turnier spielte Michael Rudhart mit, einst Mitglied unserer Jugendgruppe in den 70er Jahren unter Jugendleiter Dr. Popp. Rudhart, genannt „Stego“, hat heute noch Angst vor Otto Fritscher! Alte Anekdoten, bei denen Mitglieder wie Thommy, Otto F., Reinhard und natürlich auch ich ins Schmunzeln kommen!

Heute lebt er in Stuttgart und spielt für die Schachabteilung der Sportvereinigung Stuttgart-Feuerbach.

 

Crailsheim:
Nur wenige Tage später gab’s über Pfingsten (28.-31.05.04) die Gelegenheit, mich zu rehabilitieren und meine schwer ramponierte DWZ wenigstens etwas zu sanieren. Zum 10. Mal richteten die Schachfreunde in Crailsheim ein bemerkenswertes Open aus, das in Organisation und Durchführung dem Ditzinger Turnier in nichts nachsteht.

 

Mehr noch, die Crailsheimer haben die Sache mit den Handys besser im Griff und schaffen es darüber hinaus, eine sehr heimelige, familiäre Stimmung zu erzeugen, obwohl das Turnier in einem wenig anziehenden Industriegebiet stattfindet. Auch hier gibt es eine Zweiteilung in A- und B-Turnier, eine Austragungsform, die immer mehr Anhänger findet, wie die ständig steige-den Teilnehmerzahlen beweisen (189). Für die Schächer wurde wieder täglich gegrillt, und Crailsheim dürfte das einzige Open sein, bei dem man sein Mittagessen vor einem idyllischen Karpfen- und Goldfischbecken einnehmen kann! Auch die „Bar jeder Vernunft“ hatte wieder geöffnet und versorgte die Spieler mit Snacks, Kuchen und Flüssigem zu bemerkenswert humanen Preisen. Dies alles zusammen sind die Gründe, warum immerhin 12 Titelträger (je 4 GM und IM, 3 FM, 1 WIM) den Weg nach Nord-Württemberg fanden.

 

Begleitet wurde ich diesmal von Uli Sperber, der beim österlichen Neckar-Open in Deizisau Blut geleckt hatte und wieder seiner Schachlust frönen wollte. Er startete im B-Turnier, während ich im A-Turnier antreten musste.

 

Anfangs passte ich mich nahtlos an mein Niveau von Ditzingen an. Wieder ein missratener Start mit 0 aus 2, wobei in Runde 1 schon nach 17 Zügen (!) Schluss war. Dann folgte die legendäre Runde 3. Nach 10 Anläufen hintereinander endlich wieder ein voller Punkt. Was für ein Gefühl! Und dann gleich noch ein remis gegen einen guten Gegner mit Schwarz hinterher. Mit 1 ½ aus 4 fühlte ich mich wie auf Wolke 7!

 

In Runde 5 folgte eine weitere Ernüchterung , erneut mit Weiß gegen Pirc. In einem wahren Kraftakt raffte ich mich in den beiden Schlussrunden noch mal auf und schaffte zwei Siege hintereinander, wobei der Punkt in der Final-runde die einzig sehenswerte Leistung in diesen beiden Turnieren war (siehe kommentierte Partie). Mit 50% und Platz 59 unter 106 Spielern war ich nach dem Schock von Ditzingen uneingeschränkt zufrieden. Und die Lehre aus diesen beiden Turnieren: Wenn man den Kopf nicht frei hat, sollte man nicht Schach spielen!

 

Uli Sperber hatte das Pech, eine Partie kampflos zu gewinnen. Wenn man auf ein Open fährt, will man natürlich auch spielen, das ist klar. Schließlich landete er mit 4 aus 7 und unterschiedlichen Leistungen unter 83 Teilneh-mern auf dem 23. Rang, eine Platzierung, mit der er nicht uneingeschränkt zufrieden schien. Die DWZ-Auswertung liegt noch nicht vor. Mehr unter www.schachvereine.de/svc

 

Stefan Winkler